Savasana – Das große Loslassen

Savasana – die Totenstellung – ist die Asana, mit der viele ihre Yogapraxis beenden. Doch in Wahrheit ist sie mehr als ein Ausklang. Sie ist das Tor zur Integration, zur Stille, zur Essenz der Praxis.

Im scheinbaren Nichtstun von Savasana liegt der tiefste Aspekt des Yoga verborgen: das vollständige Loslassen der Identifikation mit Körper, Gedanken und Ich-Gefühl.

Savasana in der Yogatradition

Savasana taucht in mehreren klassischen Yogaschriften auf – nicht als bloße Entspannungshaltung, sondern als Übung des bewussten Loslassens und der transzendenten Hingabe.

Im Hatha Yoga Pradipika (Kap. 1, Vers 32) heißt es:

„Shavaasana: sich wie ein toter Körper hinlegen – das beseitigt Erschöpfung und bringt geistigen Frieden.“

Doch jenseits der Praxisform steht es symbolisch für ein spirituelles Prinzip, das in allen Yogawegen zentral ist:
Mukti – die Befreiung vom begrenzten Selbstbild.

Vom Tun zum Sein: Der yogische Weg in Savasana

Der Yogaweg – ob im Raja Yoga, Jnana Yoga oder Bhakti Yoga – führt vom äußeren Erleben in die Tiefe des Selbst.

Im achtgliedrigen Pfad des Ashtanga Yoga (Patanjali, Yoga Sutra), stehen die körperlichen Haltungen (Asana) an dritter Stelle. Darauf folgen:

  • Pranayama – die Lenkung der Lebensenergie
  • Pratyahara – der Rückzug der Sinne
  • Dharana, Dhyana, Samadhi – Konzentration, Meditation, Einssein

Savasana ist der Moment, in dem du aus dem Handeln in das reine Gewahrsein fällst – wie ein Tropfen, der ins Meer sinkt.

Die heilende Wirkung des tiefen Loslassens

Nicht nur auf spiritueller, auch auf energetischer und körperlicher Ebene ist Savasana ein machtvoller Zustand.

Während der Praxis baut sich Energie auf (in Form von Prana), Emotionen und Spannungen werden bewegt. Ohne Savasana würde diese Energie im Körper „hängen bleiben“, Unruhe oder Unwohlsein könnten die Folge sein.

In Savasana hingegen:

  • fließt das Prana frei
  • öffnet sich das Gewebe
  • gleicht sich das Nervensystem aus
  • wird das Unterbewusstsein neu geordnet

Der Zustand ist ähnlich dem von Tiefenmeditation, Hypnose oder Trance – nur, dass du voll bewusst bleibst.

Rituale für deine Praxis

Um Savasana bewusst zu erleben, kannst du folgende Rituale einbauen:

Vor der Entspannung:

  • Eine Hand auf das Herz legen
  • Still für dich sagen: „Ich lasse los.“
  • Tiefer Atemzug – alles ausatmen

Währenddessen:

  • Bei jedem Ausatmen noch mehr in die Erde sinken
  • Wenn Gedanken kommen: sie freundlich ansehen, weiterziehen lassen
  • Innerlich einen Mantra-Klang wiederholen (z. B. So Hum, Om Shanti)

Nach der Entspannung:

  • Nicht gleich aufspringen
  • Die Augen sanft öffnen
  • Den Übergang bewusst wahrnehmen
  • Eventuell kurz in den Sitz kommen und eine Dankbarkeitsgeste machen (z. B. Hände vor dem Herzen)

Wie du die Totenstellung vertiefen kannst – praktische Tipps

Nicht einschlafen, sondern absinken: Ziel ist nicht Schlaf, sondern ein „wacher Ruhemodus“. Wenn du regelmäßig einschläfst, verkürze deine Praxis leicht oder lege sie an eine andere Tageszeit.

Richte dich bequem ein: Nutze Yogamatte, Decke, eventuell ein kleines Kissen unter die Knie. Wärme und Stabilität fördern Loslassen.

Augenkissen & Aromatherapie: Ein leichtes Augenkissen oder ein Tropfen Lavendelöl auf den Puls kann die Entspannung vertiefen.

Zeitrahmen beachten: Mindestens 5–10 Minuten, bei längeren Yogastunden gerne 15–20 Minuten.

Mentale Anker nutzen: Wenn der Geist wandert, wiederhole innerlich einen Satz wie
„Ich lasse los.“
„Ich bin jetzt.“
„Alles ist gut.“

Du musst nicht warten, bis die nächste Yogastunde kommt. Savasana kann zu einem alltäglichen Ritual werden:

  • nach einem stressigen Meeting
  • vor dem Schlaf
  • als kurze Mittagspause
  • bei emotionaler Überforderung

Lege dich für 5–10 Minuten ruhig hin, schließe die Augen, atme tief – und tue nichts. Kein Handy, kein Podcast, kein To-Do. Nur du und der Moment.


Savasana ist die Pforte zur inneren Heimat.
Nicht bloß Entspannung, sondern Rückverbindung.
Nicht bloß Pausenmoment, sondern tiefe spirituelle Praxis.

Sie ist das stille Herz des Yoga.
Ein Ort, an dem du aufhörst, jemand zu sein – und einfach bist.

Erinnere dich: Du bist mehr als dein Körper. Mehr als deine Gedanken. Mehr als dein Tun.
In Savasana darfst du das erfahren – mit jeder Zelle, mit jedem Atemzug, mit deinem ganzen Sein.

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